
In der Weltklasse angekommen
STECKBRIEF
Valentin Bontus
Geburtsdatum: 1. Februar 2001
Geburtsort: Wien
Größe: 182 cm
Gewicht: 100 kg
Bootsklasse: Formula Kite
Verein: Yacht Club Podersdorf
ABOUT ME
Ich konnte schon laufen, bevor ich kiten konnte. Aber rasend lange hat es danach auch wieder nicht gedauert. Mein Papa hat das Kiten bereits Ende der 90er für sich entdeckt und mit seiner Begeisterung die ganze Familie angesteckt. Von Perchtoldsdorf nach Podersdorf war es nicht weit, auch unsere Urlaube haben sich oft und öfter ums Kitesurfen gedreht, um Wind und Welle.
Ich komme vom Freestyle und Big Air, da springt man zehn und mehr Meter in die Luft, da geht es um Drehungen, Rotationen und Tricks. Kurzum: Airtime erwünscht, Spektakel garantiert. Von einem Kite-Trip nach Brasilien bin ich mit einer schweren Knieverletzung nach Hause gekommen. Operation, Reha, aber die Schmerzen im Knie sind geblieben. Als ich von der Einführung einer olympischen Kitesurf-Disziplin Wind bekommen habe, bin ich beim Österreichischen Segelverband vorstellig geworden. Die anfängliche Skepsis ist schnell verflogen, wir haben einen Versuch gestartet und gemeinsam ein Projekt aufgesetzt.
Als Ziel haben wir die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles fixiert, aber wir haben auch gesagt, dass wir Paris 2024 mitnehmen, wenn es mit einer Qualifikation klappt. Mein erstes internationale Rennen war gleich die Weltmeisterschaft – und Platz 64 nicht das, was ich mir erwartet und erhofft hatte. Aber ich habe hart gearbeitet, mir ein professionelles Umfeld geschaffen, mich kontinuierlich weiterentwickelt und es in Windeseile an die Weltspitze geschafft. Top-Ergebnisse bei Welt- und Europameisterschaften, Spitzenplatzierungen im World Cup haben Lust auf mehr gemacht. Ich habe bewiesen, dass ich zu den schnellsten Kitern der Welt gehöre. Naja, was soll ich sagen … der Rest ist Geschichte.
Am Olymp
Herr Bontus und sein Freund, der Drachen. So fangen Märchen an, schrieb „Der Standard“ nach meinem Olympiasieg. Und ja, auch mit ein bisschen Abstand ist es ein kleines Märchen, das in Marseille geschrieben wurde. Ein Märchen mit vielen kleinen Geschichten.
Mit dem Gewinn der allerersten Wettfahrt bei der Olympia-Premiere. Mit dem Einzug in die Medal Series. Mit epischen Tischtennis-Matches im Coaches House. Mit der Wahl des richtigen Materials. Mit der Unterstützung des Österreichischen Segelverbands, der vom Olympiasieger bis zur Meteorologin alles für mich aufgeboten hat. Mit meinem schneeweißen Rennanzug, den Ski Austria für mich entwickelt und angepasst hat. Mit all den Fehlern, die ich gemacht habe. Mit einem perfekten Finaltag und goldrichtigen Entscheidungen. Mit Familie und Freund:innen, die mich an Land unterstützt haben. Mit der ersten olympischen Goldmedaille im Kitesurfen. Mit der Medaillen-Party in Paris. Mit dem unglaublichen Empfang am Flughafen in Wien und in der Hofburg.
Wenn ich heute zurückblicke, wenn ich die Medaille anschaue, dann wird mir mehr und mehr bewusst, was mir da gelungen ist. Über allem steht der Prozess, um überhaupt auf dieses Level zu kommen, um so etwas abzuziehen. Olympiasieger ist man ein Leben lang, hat mir in Paris jemand gesagt. Und dass Österreich in der Geschichte von Olympischen Spielen nur 27 Goldmedaillen gewonnen hat. Eine davon gehört mir, das ist einzigartig, ein bisschen verrückt und nach wie vor ein unglaubliches Gefühl. Vor allem aber hat sie Lust auf mehr gemacht, auf neue Geschichten mit meinem Drachen.
Nur Fliegen ist schöner
Mein Sport hat viele Besonderheiten. Eine davon ist die Verbundenheit mit der Natur und den Elementen Wasser und Luft. Ich habe keine Kontrolle darüber, was passiert. Jeder Tag ist anders, jeder Spot ist anders. Aber gerade das macht es so unglaublich und speziell.
Wenn der Himmel dünkler wird und sich mehr Wind ankündigt. Wenn das Meer seine Farben verändert. Wenn man bei flachem Wasser alles sieht. Wenn man nahe an Land fährt und das Geräusch der Steine hört. Aber gerade beim Foilen genieße ich die Ruhe, die entsteht, wenn man über das Wasser gleitet. Diesen meditativen Zustand, wenn ich die Zeit habe, um das Meer zu bewundern und das Leben zu spüren. Gast zu sein in diesem maritimen Wohnzimmer. Und gleichzeitig über das Wasser zu fliegen, dieses einzigartige Gefühl zu erleben und immer wieder die Perspektive zu verändern.
Dazu trägt auch das Reisen einen großen Teil bei. Es ist ein Privileg, dass ich meinen Sport an vielen außergewöhnlichen Plätzen machen kann. Mit jeder Reise erweitert sich mein Horizont. Ich lerne neue Plätze, Kulturen, Sprachen und vor allem Menschen kennen. Ich habe Freundschaften geschlossen, die über alle Grenzen hinweg reichen.
Der Olympiasieg hat meine Welt verändert, auch wenn ich mir wünsche, dass sich in meiner Welt nicht allzu viel durch diese Goldmedaille verändert. Aber noch viel mehr hat die Welt mich verändert und zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.